RELIANCE-Studie: Zurück ins Berufsleben nach einer Brustkrebserkrankung

Die Rückkehr in den Beruf ist nach einer Brustkrebsdiagnose eine persönliche und berufliche Herausforderung. In Luxemburg ist nach einer krankheitsbedingten Abwesenheit von mehr als sechs Wochen eine arbeitsmedizinische Untersuchung gesetzlich vorgeschrieben, um die Rückkehr an den bisherigen Arbeitsplatz oder eine mögliche Anpassung der Arbeitsbedingungen zu bewerten. Dieser Termin kann vom Arbeitgeber oder der betroffenen Person selbst beantragt werden und dient dazu einzuschätzen, ob eine Rückkehr an den ursprünglichen Arbeitsplatz möglich ist oder Anpassungen erforderlich sind. Wenn die arbeitsmedizinische Untersuchung ergibt, dass der Arbeitsplatz ungeeignet ist und bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, kann eine berufliche Neuorientierung vorgeschlagen werden.

Die Pilotstudie RELIANCE–Brustkrebs, durchgeführt von der Forschungsgruppe EPICAN, untersucht unter anderem den Einfluss klinischer und sozioökonomischer Faktoren auf die Rückkehr ins Berufsleben.

16 Juni 2025
RELIANCE - retour au travail après un cancer du sein

Zurück in den Beruf nach einer Krebserkrankung – eine bedeutende Etappe

Der berufliche Wiedereinstieg nach einer Krebsbehandlung ist ein bedeutender Meilenstein im Leben einer Patientin bzw. eines Patienten. Dieser ermöglicht nicht nur finanzielle Stabilität, sondern unterstützt auch die soziale und psychologische Reintegration. Dennoch bestehen weiterhin zahlreiche Hürden: langfristige Nebenwirkungen, chronische Müdigkeit, Schmerzen, eine reduzierte Leistungsfähigkeit sowie berufliche Belastungen oder ein Mangel an Begleitung und Unterstützung (1, 2).

Eine Pilotstudie in Luxemburg

RELIANCE – Brustkrebs ist ein Pilotforschungsprojekt zur Prävention und Epidemiologie von Brustkrebs. Ziel ist es, Risikofaktoren für Brustkrebs zu identifizieren, mit besonderem Fokus auf Prävention und Versorgungsqualität. Die Studie liefert wichtige Erkenntnisse, um das Verständnis für die Rückkehr ins Berufsleben nach einer Brustkrebsdiagnose zu verbessern und Versorgungswege zu optimieren.

Die Pilotstudie RELIANCE-Brustkrebs, durchgeführt von der Forschungsgruppe EPICAN (Cancer Epidemiology and Prevention Group) des Luxembourg Institute of Health (LIH), beleuchtet den Einfluss klinischer und sozioökonomischer Faktoren auf die Rückkehr ins Berufsleben betroffener Frauen, die an Brustkrebs erkrankt sind.

RELIANCE (REaL-life cANCEr epidemiology) ist eine Forschungsinitiative, welche von EPICAN ins Leben gerufen wurde, um Krebsprävention und –epidemiologie in Luxemburg zu erforschen, mit dem Ziel, Krebsrisikofaktoren zu identifizieren und die Qualität der Versorgung zu verbessern. Das erste Pilotforschungsprojekt RELIANCE – Brustkrebs möchte entscheidende Faktoren für die Rückkehr ins Berufsleben besser verstehen. In einer ersten Phase wurden Frauen unter 65 Jahren, bei denen Brustkrebs diagnostiziert wurde und die nach der Erstversorgung vom Service de santé au travail multiectoriel (STM) betreut wurden, inkludiert. Durch die Verknüpfung der per Fragebogen erhobenen Daten mit Angaben aus Luxemburgs Nationalen Krebsregister (RNC) entsteht eine innovative Methodik, die eine vertiefte Analyse verschiedener Indikatoren ermöglicht – insbesondere der klinischen Aspekte von Brustkrebs (z. B.: Art, Stadium, Behandlung) und sozioökonomischen Faktoren (z. B.: Bildung, berufliche Situation, Unterstützung) in Bezug auf die Rückkehr in den Beruf. Dieser Ansatz erzielt, die Erfolgsfaktoren für den beruflichen Wiedereinstieg besser zu verstehen – unter Einbeziehung der Erfahrungen und Wahrnehmungen betroffener Patientinnen in Luxemburg, die diese Erfahrung in Luxemburg gemacht haben. 

RELIANCE - Grafik 1

Rückkehr ins Berufsleben in Luxemburg – der rechtliche Rahmen

In Luxemburg sieht das Arbeitsgesetz eine Wiedereingliederungsuntersuchung nach einer ununterbrochenen Abwesenheit von mehr als sechs Wochen aufgrund von Krankheit oder Unfall vor. Diese Untersuchung muss vom Arbeitgeber beantragt werden und dient dazu, die Arbeitsfähigkeit des/der Mitarbeitenden für die Rückkehr an den früheren Arbeitsplatz einzuschätzen oder zu prüfen, ob eine Anpassung, Versetzung oder berufliche Neuorientierung notwendig ist (Art. L. 236-6). Der Termin beim Arbeitsmediziner kann jedoch auch vom Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin selbst beantragt werden. Stellt der Arbeitsmediziner eine Ungeeignetheit für den bisherigen Arbeitsplatz fest und erfüllt der/die Mitarbeitende die Voraussetzungen (mindestens drei Jahre Betriebszugehörigkeit sowie eine positive ärztliche Einstellungsuntersuchung), so leitet der Arbeitsmediziner ein begründetes Gutachten an die  „Commission mixte“ weiter, um ein berufliches Wiedereingliederungsverfahren mit der Arbeitsanpassung einzuleiten (Gesetz vom 24. Juli 2020 zur Änderung des Arbeits- und Sozialversicherungsgesetzbuchs und des Gesetzes vom 23. Juli 2015 betreffend das interne und externe Wiedereingliederungssytem).

Insgesamt nahmen 38 % der kontaktierten Frauen an der speziell für diese Studie entwickelten Befragung teil, welche – mit der wertvollen Unterstützung von Partner-Patientinnen – unterstützt wurde. Der Fragebogen ermöglichte eine umfassende Erfassung der klinischen, beruflichen und sozialen Dimensionen des Patientinnenweges - sowohl vor als auch nach der Krebserkrankung.

RELIANCE wird unter der Leitung von Dr. Claudine Backes durchgeführt – leitende Forscherin, Epidemiologin, wissenschaftliche Direktorin des RNC und Leiterin der EPICAN-Forschungsgruppe. Die Forschung wird durch Luxemburgs Nationalen Krebsplan 2 unterstützt. 

RELIANCE – Ermutigende, aber ungleiche Ergebnisse

Von den befragten Teilnehmerinnen konnten 83 % nach der Brustkrebsdiagnose wieder in das Berufsleben zurückkehren. 47 % stiegen in Teilzeit ein, 36 % in Vollzeit. Für 17 % war die Rückkehr jedoch nicht einfach und ging mit neuen Herausforderungen einher (Verlust des Arbeitsplatzes, langfristige Krankschreibung, berufliche Inaktivität).

Von den Frauen, die in den Beruf zurückkehrten, arbeiteten 68 % im selben Unternehmen weiter, von denen 76 % auch denselben Arbeitsplatz beibehielten. Bei den 32 %, die das Unternehmen wechselten, blieben 9 % im gleichen Berufsfeld. Unter den Frauen, die vor der Brustkrebsdiagnose selbstständig tätig waren, kehrten 86 % in eine Vollzeitbeschäftigung als Angestellte in ihr Berufsleben zurück und 14 % gingen in den Ruhestand.

RELIANCE - Grafik 2

Ein Schlüsselfaktor für den beruflichen Wiedereinstieg ist das Bildungsniveau der Patientinnen: 97 % der Frauen mit Hochschulabschluss kehrten zurück ins Berufsleben – im Vergleich zu 63 % der Frauen mit niedrigerem Bildungsniveau. Die berufliche Zufriedenheit verbesserte sich nach der Krebserkrankung leicht (Median auf einer Skala von 0 bis 10: von 7 vor der Behandlung auf 8 danach), jedoch nahm die Selbsteinschätzung der Arbeitsfähigkeit ab (von 9 auf 7), was auf anhaltende körperliche und psychische Nachwirkungen hinweist (3). Langfristige Nebenwirkungen wie Fatigue (69 %) oder der sogenannte „Brain Fog“ (39 %) sind nach der Krebsbehandlung weiterhin sehr häufig. Auch vorbestehende Erkrankungen wirken sich deutlich auf die Wahrscheinlichkeit der beruflichen Wiedereingliederung aus.

RELIANCE - Grafik 4

Bessere Unterstützung für betroffene Frauen

CDiese ersten Ergebnisse der Studie unterstreichen die Wichtigkeit, Frauen bei der Rückkehr an den Arbeitsplatz gezielt zu begleiten – insbesondere durch Maßnahmen, die sozioökonomische Ungleichheiten berücksichtigen. Eine interdisziplinäre Unterstützung durch Arbeitgeber, medizinisches Fachpersonal, Kollegen und Angehörigen ist entscheidend, um einen gelungenen Wiedereinstieg zu ermöglichen (4, 5).

Wie geht es weiter?

Die Forschenden empfehlen Längsschnittstudien, um die betroffenen Frauen langfristig zu begleiten und die wirksamsten Interventionshebel zu identifizieren. Dr. Claudine Backes betont: „Die ersten Ergebnisse von RELIANCE zeigen, dass eine Rückkehr in den Beruf nach einer Brustkrebserkrankung möglich ist. In den kommenden Jahren wird das Projekt in Zusammenarbeit mit weiteren Ländern und Partnern fortgesetzt, um die Prävention und Versorgung der Krebserkrankungen zu verbessern, die Patient(inn)enpfade besser zu verstehen und die berufliche Wiedereingliederungspolitik in Luxemburg weiterzuentwickeln. Diese Unterstützungsinitiativen geben Hoffnung für Menschen, die mit dieser Situation konfrontiert sind. Wir danken allen Teilnehmerinnen herzlich für Ihre Mitwirkung an dieser ersten Forschungsstudie.“

In der Zwischenzeit bilden diese Ergebnisse bereits jetzt eine solide Grundlage für eine verstärkte Unterstützung von Betroffenen und die berufliche Wiedereingliederungspolitik nach einer Krebsdiagnose in Luxemburg zu verbessern. 

RELIANCE - Graphique 5

 

Quellenangabe

  1. Ewertz M, Jensen AB. Late effects of breast cancer treatment and potentials for rehabilitation. Acta Oncol. 2011;50(2):187-93.
  2. Sun Y, Shigaki CL, Armer JM. Return to work among breast cancer survivors: A literature review. Support Care Cancer. 2017;25(3):709-18.
  3. van Maarschalkerweerd PEA, Schaapveld M, Paalman CH, Aaronson NK, Duijts SFA. Changes in employment status, barriers to, and facilitators of (return to) work in breast cancer survivors 5-10 years after diagnosis. Disabil Rehabil. 2020;42(21):3052-8.
  4. Boelhouwer IG, Vermeer W, van Vuuren T. The associations between late effects of cancer treatment, work ability and job resources: a systematic review. Int Arch Occup Environ Health. 2021;94(2):147-89.
  5. de Boer A, de Wind A, Coenen P, van Ommen F, Greidanus MA, Zegers AD, et al. Cancer survivors and adverse work outcomes: associated factors and supportive interventions. Br Med Bull. 2023;145(1):60-71.

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